Das Rosenköpfchen in Brehms Tierleben

Rosenköpfchen (Brehms Tierleben)

Unter allen mir bekannten Arten der Sippe stelle ich den Rosenpapagei (Psittacula roseicollis, Psittacus roseicollis und parasiticus, Agarpornis roseicollis) oben an. Er zählt zu den größeren Arten der Sippe: seine Länge beträgt siebzehn, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge fünf Centimeter. Die vorherrschende Färbung des Gefieders ist ein schönes Grasgrün, welches unterseits etwas lichter wird und auf den Seiten einen gelben Schimmer zeigt; ein Stirnstreifen und die Augenbrauen sind blaß scharlach-, Zügel, Backen, Ohrgegend und Kehle zart pfirsich- oder blaß rosenroth, nach unten zu unmerklich in die grüne Färbung übergehend, Bürzel und obere Schwanzdecken himmelblau, die Schwingen außen grasgrün, nach der Spitze zu dunkler, fast schwärzlich, unterseits schwärzlich, innen verloschen bläulich gesäumt, die beiden mittelsten Steuerfedern einfarbig grün, die übrigen grün, am Ende grünlichblau, vorher durch eine schwärzliche Querbinde, in der Wurzelhälfte aber mit einem zinnoberrothen Fleck gezeichnet. Der Augenstern ist dunkelbraun, der schmale Augenkreis weißlich, der Schnabel wachsgelb, an der Spitze grünlich, der Fuß blaugrünlich. Der junge Vogel unterscheidet sich von beiden gleichgefärbten Eltern durch düsterere Färbung und den Mangel der rothen Stirnbinde.

Das Vaterland des Rosenpapageis ist der Südwesten Afrikas, namentlich das Kaffer-, Namaka- und Damaraland sowie Angola; doch scheint der Vogel, wie Kirk angibt, auch im Südosten, zumal im Sambesigebiete, vorzukommen. Nach Ortlepps Angabe ist er ein großer Liebling der Bauern von Limpopo und wird häufig im Käfige gehalten.

Mittheilungen über sein Freileben gibt meines Wissens nur Andersson. »Dieser hübsche kleine Papagei ist über ganz Damara- und Großnamakaland verbreitet, wird aber auch in Owakango und am Ngamisee gefunden. Man begegnet ihm stets in kleinen Flügen und niemals weit entfernt von einem Gewässer. Zu einem solchen begibt er sich mindestens einmal täglich und kann demgemäß dem durstigen Reisenden zu einem verläßlichen Führer werden, falls dieser erfahren genug ist, um hieraus Vortheil zu ziehen und die oft sehr kleinen oder an ungewöhnlichen Stellen belegenen Trinkplätze aufzufinden.

Der Rosenpapagei hat einen ungemein schnellen Flug; die kleinen Schwärme eilen gedankenschnell an einem vorüber, wenn sie ihre Futterplätze wechseln oder sich zur Tränke begeben, durchmessen jedoch selten verhältnismäßig weite Strecken in einem Zuge. Während sie fliegen, stoßen sie in rascher Folge scharfe Laute aus, und ebenso lassen sie sich vernehmen, wenn sie plötzlich erschreckt wurden. Ihre Nahrung besteht aus Beeren und großen beerenartigen Sämereien.

Diese Papageien bereiten sich kein eigenes Nest, sondern nehmen von dem anderer Vögel, insbesondere des Siedelsperlings und Mahaliwebers Besitz. Ich vermag nicht zu sagen, ob sie die rechtmäßigen Eigener vertreiben oder nur verlassener Nester derselben sich bedienen; Rosenpapageien und Siedelsperlinge aber habe ich in annähernd gleicher Anzahl im Schutze eines und desselben Nestdaches hausen sehen. Die reinweißen Eier sind länglicher als die der Spechte.«

Gefangene Rosenpapageien, welche ich mehrere Jahre nacheinander pflegte und beobachtete, haben mich in hohem Grade angezogen. Ihr Wesen und Gebaren sticht vortheilhaft ab von dem Thun und Treiben anderer Zwergpapageien: sie sind offenbar begabter, leiblich und geistig reger als diese, besitzen alle anmuthenden Eigenschaften derselben und noch andere dazu, welche sehr für sie einnehmen. Vielleicht sagt man nicht zu viel, wenn man sie zu den anmuthigsten aller Papageien überhaupt rechnet. Sie halten ihr Gefieder stets in bester Ordnung, sehen daher immer höchst sauber aus, gefallen auch wegen ihrer schlanken Haltung, sind sehr munter, lebhaft und rege, viel in Bewegung, laut verträglich, mindestens gegen ihresgleichen, äußerst zärtlich gegen ihren Gatten und hingebend in der Pflege ihrer Brut. In ihren kletternden Bewegungen ähneln sie anderen Kurzschwanzpapageien, erinnern aber auch an die Zierpapageien, da sie sich zuweilen wie diese, den Kopf nach unten gerichtet, an der Decke ihres Käfiges aufhängen. Ihre Stimme ist für ein kleines Zimmer fast zu gellend, behelligt jedoch in einem größeren Raume, zumal im freistehenden Fluggebauer, wenig oder nicht. Am besten bezeichnet man sie, wenn man sie ein Zwitschern nennt, welches zuweilen in Trillern übergeht. Nach meinem Gehöre läßt sich der gewöhnliche Stimmlaut durch ein zehn- bis zwanzigmal wiederholtes »Zickzick«, der Warnungston durch »Tirrirrirrirrit zit tit zit, tiet, tiet«, oder auch durch »Ziterititititie«, mit angehängtem »Zit«, übertragen. Zuweilen sitzt das Männchen in lässiger Haltung, mit etwas gesträubten Federn und geschlossenen Augen, wie in sich versunken, regungslos auf einer und derselben Stelle, und gibt einen zwischernden Gesang zum besten, dessen einzelne Töne zwar dieselben sind, welche man auch beim Locken und Schwatzen vernimmt, jedoch durch verbindende Laute erweicht und vertönt werden, hinsichtlich ihrer Stärke und Betonung auch sehr verschieden sind, so daß ansprechende Mannigfaltigkeit entsteht.

Fesseln die Rosenpapageien schon, wenn man sie einzeln oder in größeren Gesellschaften hält, jeden achtsamen Pfleger, so entfalten sie ihre ganze Eigenartigkeit doch erst, wenn sie sich zum Brüten anschicken. Ich habe meine hierauf bezüglichen Beobachtungen zwar bereits in meinen »Gefangenen Vögeln«, einem für Vogelwirte bestimmten, die genauesten und verläßlichsten Angaben über Pflege und Zucht aller Vögel enthaltenden Werke, geschildert; sie sind jedoch so eigenthümlich, ja, geradezu einzig in ihrer Art, daß ich sie nothgedrungen hier wiederholen muß. Der Zufall belehrte mich über die unerläßlichen Bedürfnisse dieser Vögel. Anderssons Angaben über das Freileben waren zur Zeit, als ich die ersten Rosenpapageien erwarb, noch nicht veröffentlicht worden; ich konnte daher nicht ahnen, daß sich deren Fortpflanzungsgeschäft so wesentlich von dem anderer Zwergpapageien und Sittiche überhaupt unterscheidet. Meine Pfleglinge waren gepaart, die Pärchen überhäuften sich auch gegenseitig mit Zärtlichkeiten, schritten aber nicht zum Brüten. Gegen ihre Käfiggenossen, kleine Webefinken, benahmen sie sich ebenso unfriedfertig als gegen ihresgleichen verträglich, zerstörten deren Nester und trieben anderweitigen Unfug. Ich hielt das für Uebermuth, wie man ihn an Papageien oft beobachtet, und ließ sie gewähren. In die für sie bestimmten Nistkästchen schlüpften sie aus und ein, schienen dieselben aber mehr als Verstecke, denn als Nistplätze zu betrachten. Sie waren unzweifelhaft brütlustig; es fehlte ihnen aber offenbar an etwas. Da sie bisher nur Körnerfutter, Glanz, Hirse, Hanf und Hafer, angenommen, Mischfutter aber verschmäht hatten, kam ich auf den Gedanken, daß sie vielleicht Knospenfresser sein möchten und ließ ihnen grüne, beblätterte Weidenzweige reichen. Wenige Minuten später saßen sie auf denselben, entblätterten sie rasch und benagten Knospen und Rinde. Anfänglich wollte mir scheinen, als ob diese Arbeit ebenfalls nur aus Zerstörungslust, nicht aber, um sich zu ernähren, unternommen werde; als ich jedoch aufmerksam weiter beobachtete, bemerkte ich, daß meine Vögel nunmehr endlich erwünschte Baustoffe gefunden hatten. Geschickt spleißten sie ein Schalenstück von sechs bis zehn Centimeter Länge ab, faßten es hierauf so mit dem Schnabel, daß das eine Ende etwa drei Centimeter weit hervorragte, drehten sich um, sträubten die Bürzelfedern, nestelten mit dem Schnabel in ihnen, und der Splitter blieb zwischen den wieder geglätteten Federn haften. Ein zweiter, dritter, sechster, achter wurde in derselben Weise abgelöst und befestigt; manch einer fiel dabei zum Boden herab, ohne weitere Beachtung zu finden, manch einer wurde von dem allzueifrigen Gatten wieder zwischen den Federn hervorgezogen: schließlich aber blieben doch einige haften; der Papagei erhob sich, schwirrte langsam und vorsichtig zum Nistkästchen auf, schlüpfte mit voller Ladung ein und kehrte leer zurück. Ob auch andere Zwergpapageien in ähnlicher Weise verfahren, weiß ich nicht, halte es jedoch für wahrscheinlich. Bis jetzt steht meine Beobachtung durchaus vereinzelt da. Die gesammte Lebensgeschichte der Vögel bietet nichts ähnliches dar; kein einziger aller Vögel, über dessen Fortpflanzung wir unterrichtet sind, den Mönchssittich, welcher freistehende Nester baut, nicht ausgeschlossen, trägt in gleicher Weise zu Neste. Meine Beobachtung oder Entdeckung erfüllte mich daher mit hoher Freude und erregte die Verwunderung aller Kundigen.

Wenige Tage nach Beginn des Eintragens der Niststoffe erfolgte die erste Begattung des einen Pärchens, einige Tage später die eines zweiten. Man kann schwerlich etwas ansprechenderes sehen als die tiefinnige, langwährende Vereinigung der Geschlechter, das Kosen vorher, die geschickte Stellung während des Paarens selbst, das glühende Begehren des Männchens, das hingebende Sichselbstvergessen des Weibchens, die Freudigkeit nach vollzogener Begattung, die zärtliche Dankbarkeit des einen Gatten gegen den anderen! Wann das erste Ei gelegt wurde, wie lange die Brütezeit, wie lange die Wiegenzeit der Jungen währt – dies alles vermag ich nicht zu sagen, weil ich den Vögeln durch Untersuchen ihres Nestes nicht hinderlich oder lästig werden wollte. Ich habe bloß erfahren, daß das Nest aus den angespleißten Splittern sauber hergestellt wird und ungefähr zwei Dritteln einer hohlen Halbkugel gleicht, daß das weiße Ei sehr rundlich und verhältnismäßig groß ist, daß die zwei bis fünf Jungen zehn oder elf Wochen nach der ersten Paarung ausschlüpfen, und daß deren oben beschriebenes Kleid im dritten oder vierten Monate durch Verfärbung in das ihrer Eltern übergeht, aber erst im achten Monate des Lebens durch Vermauserung neugebildet wird, wogegen der anfangs schwärzliche Oberschnabel schon etwa vier Wochen nach dem Ausfliegen verbleicht. Geatzt wurden die Jungen von beiden Eltern, und zwar nicht allein mit Pflanzenstoffen, sondern auch mit Nachtigallenfutter, was die Folgerung erlaubt, daß die Alten in der Freiheit ihnen wahrscheinlich nebenbei Kerbthiere zutragen werden. Ihr Gebaren ist ganz das ihrer Eltern: sie bekunden deren Munterkeit, Regsamkeit und Achtsamkeit vom ersten Tage ihres Lebens an, bald auch deren Scheu und Vorsicht, lernen ihren Erzeugern bald die listige Art ab, sich zu verstecken und sind vom fünften Monate ihres Lebens an nicht mehr von jenen zu unterscheiden. Unmittelbar nach der ersten Brut, noch bevor die Jungen von dieser recht selbständig geworden sind, schreiten die Alten zur zweiten und, wie es scheint, letzten des einen Jahres.

Abgesehen von dem mitgetheilten, habe ich gelegentlich der Fortpflanzung des Rosenpapageies alle Beobachtungen gesammelt, welche man anbrütenden Papageien zu machen pflegt. Meine Vögel bekundeten überaus große Zärtlichkeit gegen die eigenen, Feindseligkeit gegen die fremden Jungen ihrer Art, überfielen letztere, obgleich sie mit deren Eltern im besten Einvernehmen gelebt hatten und, von etwas Eifersucht und Mißtrauen abgesehen, auch während der Brutzeit lebten, und gingen ihnen in unverkennbar böswilliger Absicht zu Leibe, so daß ich sie vor ihren Angriffen retten mußte. Einige Weibchen gingen an Legenoth zu Grunde, und mehrere Bruten schlugen fehl; demungeachtet glaube ich, daß kein Zwergpapagei besser zum Stubenvogel sich eignet und wärmer empfohlen zu werden verdient als der Rosenpapagei.

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