Nicht allein unser Wildschwein, sondern auch mehrere seiner indischen, malaiischen und hinterasiatischen Verwandten scheinen bereits seit uralter Zeit in den Hausstand übergegangen zu sein. Nach Ansicht Juliens, eines ausgezeichneten Kenners von China, züchtete man bereits um das Jahr 4900 vor unserer Zeitrechnung im Himmlischen Reiche Hausschweine; nach Rütimeyers Untersuchungen der Pfahlbauten gab es in der Schweiz schon zwei verschiedene Rassen des nutzbaren Hausthieres. »Das Schwein«, so schreibt mir Dümichen, »obgleich zu den typhonischen (der bösen Gottheit Typhon geweiheten) Thieren gehörig, wurde sicher von den alten Egyptern als Hausthier gehalten. Die Inschriften sprechen von ihm, und herdenweise wie einzeln wird es abgebildet. Doch scheint man es nur gehalten zu haben zum Zwecke des Opferns an einzelnen Festen des Jahres.« In der Bibel wird seiner oft gedacht; die Odyssee spricht von ihm wie von einem allgemeinen bekannten Pfleglinge des Menschen.
Seit jenen Zeiten sind unzählige Rassen entstanden und vergangen, und noch gegenwärtig entstehen neue und verschwinden ältere, je nach Bedürfnis oder Laune und Zufall.
Fitzinger wie Nathusius nehmen an, daß alle jetzt lebenden Rassen auf zwei verschiedene Formen oder Arten zurückgeführt werden können: auf unser Wildschwein und auf eine südasiatische Art (Sus cristatus) nämlich; dies schließt jedoch nicht aus, daß auch andere indisch-malaiisch-chinesische Arten an der Erzeugung betheiligt sein können. So groß die Verschiedenheit unter diesen Rassen sein mag, sie wie das Entstehen und Vergehen der unter Einwirkung des Menschenerzeugten Formen erklären sich durch selbständig oder gezwungen geübte Zuchtwahl wie durch die wechselreichen Verhältnisse, unter denen die Hausschweine leben. Schweine, welche wühlen können, behalten, laut Nathusius, ihren gestreckten Rüssel auch als gefangene Thiere, bekommen aber einen kürzeren, wenn sie von Jugend an im Stalle gehalten werden. Dieses eine Beispiel zeigt, wie leicht es möglich ist, durch eine bestimmte Behandlungsweise wichtige Merkmale eines Thieres abzuändern, und es bedarf deshalb nur noch des Hinweises auf die Bedeutung und Wirkung der mit Sachverständnis ausgeführten Kreuzungen, um es erklärlich erscheinen zu lassen, daß wir gegenwärtig Hausschweine besitzen, welche von ihrer Stammart wesentlich sich unterscheiden. Künstliche Erzeugnisse des Menschen sind sie alle, die gegenwärtig beliebten oder angestaunten Rassen: das stämmige Berkshire- wie das fettleibige Harrisson- oder das quappliche Zwergschwein; ein Kunsterzeugnis auch ist das Maskenschwein, in welchem die Laune japanesischer Züchter ihren Ausdruck gefunden hat. Wir überlassen es anderen, sie und alle übrigen Rassen zu schildern, und werfen noch flüchtig einen Blick auf Lebensweise und Eigenschaften des Thieres.
Heutzutage ist das Hausschwein über den größten Theil der Erde verbreitet. So weit nach Norden hin Landbau betrieben wird, lebt es als Hausthier, in den südlichen Ländern mehr im Freien. Da eigentlich nur sumpfige Gegenden ihm zusagen, verändert es sich, wenn man es ins Gebirge bringt. Je höher es hinaufsteigt, um so mehr nimmt es das Gepräge des Bergthieres an. Der Leib wird kleiner und gedrungener, der Kopf kürzer und weniger spitzig, die Stirne breiter; der Hals verkürzt sich und nimmt an Dicke zu, der Hintertheil wird mehr abgerundet, und die Läufe kräftigen sich. Damit geht Hand in Hand, daß solche Bergschweine wenig Fett ansetzen, dafür aber zarteres und feineres Fleisch bekommen, und daß sie an Fruchtbarkeit verlieren. Klima, Bodenverhältnis, Zucht und Kreuzung haben nun auch einen gewissen Einfluß auf die Färbung, und daher kommt es, daß in gewissen Gegenden die, in anderen jene Färbung vorherrscht. So sieht man in Spanien fast nur schwarze Schweine, während solche bekanntlich bei uns im Norden selten sind. Man hält und mästet die Schweine entweder in den Ställen, oder treibt sie während eines großen Theils des Jahres im Freien umher. Die eingepferchten Thiere werden größer und fetter, sind aber schwächer und mehr Krankheiten ausgesetzt als diejenigen, welche den größten Theil des Lebens im Freien zubringen; sie sind gewöhnlich etwas hochbeiniger und magerer, dabei aber viel kräftiger, selbständiger und muthiger als jene.
Nicht bloß in Amerika betreibt man solche Waldzucht, wie man sagen könnte, sondern auch in den meisten Provinzen Rußlands, in den Donautiefländern, in Griechenland, Italien, Südfrankreich und Spanien. In Skandinavien laufen die Schweine, wenigstens während des ganzen Sommers, nach ihrem Belieben umher, jedes mit einem kleinen, dreieckigen Holzkummet um den Hals, welches ihnen das Eindringen in die umhegten Grundstücke verwehrt, sie im übrigen aber nicht hindert. Wenn man durch Norwegen reist, sieht man die Schweine mit größter Behaglichkeit und Gemächlichkeit längs der Landstraßen dahinlaufen und hier sich allerlei Abfälle aufsuchen und andere Nahrung erwerben. Im südlichen Ungarn, Kroatien, Slavonien, Bosnien, Serbien, in der Türkei und in Spanien überläßt man sie das ganze Jahr hindurch sich selbst und trägt nur insofern Sorge um sie, daß sie sich nicht verlaufen. Sie nutzen dann die Wälder aus und finden, namentlich in den Eichwaldungen, höchst geeignete Futterplätze und Mastorte. In Spanien steigen sie bis hoch in die Gebirge hinauf: in der Sierra Nevada z.B. bis zu 2500 Meter über dem Meere, und nutzen dort Oertlichkeiten aus, auf denen andere Thiere nicht viel finden würden. Das freie Leben hat alle ihre leiblichen und geistigen Fähigkeiten sehr entwickelt. Sie laufen gewandt, klettern gut und sorgen selbst für ihre Sicherheit. Wie muthig sie sein können, habe ich bereits bei Beschreibung des Wolfes (Bd. I, S. 532) erwähnt. Bei der sogenannten halbwilden Zucht läßt man die Schweine während des Sommers im Freien, bringt sie aber im Winter in die Ställe. Mit Unrecht hat man geglaubt, daß dem Schweine zu seinem Wohlbefinden Koth und Schmutz unentbehrlich sei. Die neueren Erfahrungen haben erwiesen, daß auch dieses Hausthier bei reinlicher Haltung weit besser gedeiht, als wenn es beständig im Schmutze liegt; deshalb pferchen jetzt die gebildeten Thierzüchter ihre Schweine nicht mehr in die greulichen Gefängnisse ein, welche man Schweineställe nennt, weisen ihnen vielmehr weite, luftige Räume an, welche leicht gereinigt werden können und erziehen hier viel gesündere und kräftigere Hausschweine als in den kleinen unreinlichen Koben.
Am besten ist es, wenn der Boden des Stalles mit großen Steinplatten ausgelegt wird.
Das Hausschwein ist gefräßig, widerspenstig, ungeschickt und zeigt wenig Anhänglichkeit an den Menschen. Doch gibt es Ausnahmen. Hausschweine, welche von Jugend auf mehr in der Familie des Menschen als für sich allein gelebt haben, wie dies auf dem Lande nicht selten geschieht, üben ihre geistigen Kräfte, und sind dann weit verständiger als andere ihrer Art.
Ein Förster erzählte mir, daß er eine Zeitlang ein kleines, sogenanntes chinesisches Schweinchen besessen habe, welches ihm wie ein Hündchen auf dem Fuße nachlief, auf den Namen hörte, sogleich herbeikam, wenn es gerufen wurde, auf der Treppe mit ihm emporstieg, sich im Zimmer ganz gut betrug, Befehle und mancherlei Kunststücke ausführte. Es war gewöhnt worden, im Walde Morcheln zu suchen, und stand diesem Geschäfte mit großem Eifer vor. Als Ludwig XI. krank war, wurden von seinen Hofleuten alle nur erdenklichen Mittel hervorgesucht, um die trüben Gedanken, welche den König beherrschten, zu zerstreuen. Die meisten Versuche waren fruchtlos, einer aber brachte den trübsinnigen König doch zum Lachen. Ein erfindsamer Kopf verfiel darauf, Ferkel nach dem Tone eines Dudelsackes zum Tanzen und Springen abzurichten. Er bekleidete die Thiere vom Kopfe bis zum Scheitel und ließ sie einherstolziren in schön ausgeputzten Leibröcken, Beinkleidern mit Hut, Schärpe und Degen, kurz mit allen Anhängseln, welche die Stellung eines vornehmen Mannes erfordert. Sie waren sehr gut abgerichtet, sprangen und tanzten nach Befehl, verbeugten sich artig und betrugen sich musterhaft folgsam. Nur eins war ihnen unmöglich: der aufrechte Gang nämlich. So wie sie sich auf zwei Pfoten aufgerichtet hatten, fielen sie sofort unter Grunzen nieder und die ganze Gesellschaft schrie dann ihr: »Honn, honn, honn« auf eine so närrische Weise, daß der König des Lachens sich nicht enthalten konnte.
Andere abgerichtete Schweine hat man auf der Messe von St. Germain und auf dem Theater Astley zu Paris gesehen. In London stellte man ein gelehrtes Schwein aus. Man zeigte es in einem Saale, in welchem viele Menschen sich versammelten. Zwei Alphabete großer Buchstaben auf Karten lagen auf dem Boden. Einer aus der Gesellschaft wurde gebeten, ein Wort zu sagen. Der Herr und Besitzer des Schweines wiederholte es seinem Zöglinge, und dieser hob sofort die zu dem Worte nöthigen Buchstaben mit den Zähnen auf und legte sie in die gehörige Ordnung. Auch die Zeit verstand das Thier anzugeben, wenn man ihm eine Uhr vorhielt usw. Ein anderer Engländer hatte ein Schwein zur Jagd abgerichtet. Slud, wie das Thier genannt wurde, war ein warmer Freund von der Jagd und gesellte sich augenblicklich zu jedem Jäger. Er eignete sich für alle Arten der Jagd, mit Ausnahme der auf Hasen, welche er nicht zu beachten schien. Obgleich er sich mit den Hunden gut vertrug, waren diese doch so ärgerlich über solchen Jagdgenossen, daß sie ihre Dienste zu thun verweigerten, wenn das Schwein irgend ein Wild vor ihnen aufgespürt hatte, und schließlich konnte man die Rüden nicht mehr mitnehmen, sondern mußte Slud allein gebrauchen. Seine Nase war so fein, daß er einen Vogel schon in einer Entfernung von vierzig Schritten wahrnahm. Wenn derselbe sich erhob und wegflog, ging er gewöhnlich zu dem Platze, wo jener gesessen hatte, und wühlte dort die Erde auf, um den Jägern diesen Ort gehörig anzuzeigen. Lief aber der Vogel weg, ohne sich zu erheben, so folgte ihm Slud langsam nach und stellte ihn, ganz nach Art eines guten Vorstehhundes. Man gebrauchte Slud mehrere Jahre, mußte ihn aber zuletzt tödten, weil er die Schafe nicht leiden konnte und unter den Herden Schrecken verursachte. Andere Schweine hat man abgerichtet, einen Wagen zu ziehen. Ein Bauer in der Nähe der Marktstadt St. Alban kam oft mit seinen vier Schweinen gefahren, jagte in einem sonderbaren Galopp ein- oder zweimal um den Marktplatz herum, fütterte sein Gespann und kehrte einige Stunden später wieder nach Hause zurück. Ein anderer Bauer wettete, daß er auf seinem Schweine in einer Stunde von seinem Hause vier Meilen weit nach Norfolk reiten wollte und gewann die Wette.
Diese Geschichten beweisen, daß das Schwein der Abrichtung fähig ist, oder, was dasselbe, daß seine geistigen Fähigkeiten nicht unterschätzt werden dürfen. Hensel hat gewiß recht, wenn er sagt, daß die Fähigkeiten dieses Hausthieres aus Mangel an Beobachtung zu wenig gewürdigt werden, geht aber unzweifelhaft zu weit, wenn er den Verstand des Schweines höher als den des Pferdes schätzt. Ein von ihm mitgetheilter Beleg für seine Behauptung verdient hier wiedergegeben zu werden. »Die Bauern eines Dorfes«, so erzählt er, »hatten gemeinschaftlich einen Zuchteber, welcher bei einem unter ihnen eingestellt war. Zuweilen wandelte diesen Eber die Lust an, den Sauen im Dorfe einen Besuch abzustatten, namentlich, wenn er eine derselben längere Zeit vermißt hatte. Er begab sich dann in das betreffende Gehöft, eilte in schnellem Trabe nach den Schweineställen, blieb vor diesen stehen, hob den Kopf hoch in die Höhe, ergriff den langen keilförmigen Riegel, welcher gewöhnlich zwei Thüren zugleich auf die bekannte Weise schloß, mit den Zähnen und zog ihn stets nach der richtigen Seite hin heraus, so daß die Thüren sich öffneten, und die Sauen den Stall verlassen konnten.« Ich stimme Hensel vollkommen bei, wenn er sagt, daß man jeden Zug von Verstand bei dem in der Erziehung so vernachlässigten Hausschweine nicht hoch genug anschlagen kann, möchte aber doch an die geistigen Großthaten des Hundes und Pferdes, welche jedermann erfahren hat, erinnern, um vor einem ungerechten Urtheile über die Fähigkeiten der letztgenannten Hausthiere bewahrt zu bleiben.
Sonderbar ist die Thatsache, daß Schweine stets einen gewissen Abscheu gegen Hunde bekunden. Zahme wie wilde Schweine machen sich kein Gewissen daraus, unter Umständen Aas zu fressen, niemals aber gehen sie Hundefleisch an. »In dem bei Koburg gelegenen Saugarten«, sagt Lenz, »werden den Wildschweinen oft todte Pferde vorgeworfen, welche sie ohne Umstände gierig auffressen; wird aber ein todter Hund hingelegt, so genießen sie keinen Bissen davon. Viele ungarische Schweineherden werden ohne Hunde von den Hirten gelenkt und zerreißen jeden Hund, welcher unter sie kommt. Im Jahre 1848 hatte einer meiner Verwandten auf der dem Baron Sina gehörigen Pusta Alsó Besnyö bei Erczin einen Hund, den er los sein, aber nicht gern selbst tödten wollte. Da erbot sich der Schweinehirt, die Hinrichtung zu übernehmen, band den Hund an einem Stricke fest und führte ihn zu seiner Herde. Diese überfiel ihn sogleich mit lautem und grimmigem Grunzen, riß und biß ihn nieder, bearbeitete ihn, bis er wie eine Wurst aussah, fraß aber keinen Bissen davon. Nun wurden die Schweine weggetrieben; als sie aber nach einer Stunde wiederkamen, fielen sie nochmals mit gleicher Wuth über den Hund her, fraßen jedoch wieder nichts von ihm.« Die eben mitgetheilte Thatsache erklärt sich vielleicht am richtigsten durch die zwischen Schwein und Wolf bestehende Feindschaft, von welcher ich oben gesprochen habe. Es handelt sich in solchen Fällen wahrscheinlich um Ausübung der Rache, welche Isegrim durch allerlei Uebelthaten in dem zwar friedlichen, aber leicht erregbaren Herzen der Borstenträger heraufbeschwor.
Im allgemeinen zeigt sich das zahme Schwein als vollständiger Allesfresser. Es gibt wirklich kaum einen Nahrungsstoff, welchen dieses Thier verschmäht. Einige Pflanzen werden von ihm nicht berührt, und scharfe Gewürze können ihm den Tod bringen: im übrigen verzehrt es alles, was der Mensch genießt, und noch hundert andere Dinge mehr. Es wählt seine Nahrung ebenso gern aus dem Pflanzen-, wie aus dem Thierreiche. Auf Brach- und Stoppeläckern wird es sehr nützlich, weil es hier Mäuse, Engerlinge, Schnecken, Regenwürmer, Heuschrecken, Schmetterlingspuppen und allerlei Unkraut vertilgt, sich dabei vortrefflich mästet und auch noch den Boden aufwühlt.
Während man bei den Hausschweinen möglichst darauf hält, daß sie sich nicht bewegen, muß man den zur Zucht bestimmten Spielraum gönnen. Nothwendig ist auch, daß sie reine und warme Ställe bekommen. Die Paarung findet gewöhnlich zweimal im Jahre statt, anfangs April oder im September. Nach sechzehn bis achtzehn Wochen oder hundertundfunfzehn bis achtzehn Tagen wirft das Hausschwein vier bis sechs, zuweilen auch zwölf bis funfzehn, und in seltenen Fällen zwanzig bis vierundzwanzig Junge. Die Mutter bekundet für diese wenig Sorgfalt, bereitet sich oft nicht einmal ein Lager vor dem Ferkeln. Nicht selten kommt es vor, daß sie, wenn ihr die zahlreiche Kinderschar lästig wird, einige von den Kleinen auffrißt, gewöhnlich dann, wenn sie dieselben vorher erdrückt hat. Manche Mutterschweine muß man bewachen und sie schon lange Zeit vor dem Werfen von thierischer Nahrung abhalten. Die Jungen guter Mütter läßt man vier Wochen saugen, ohne sich weiter um sie zu bekümmern. Dann nimmt man sie weg und füttert sie mit leichten Nahrungsstoffen groß. Das Wachsthum geht sehr rasch vor sich, und bereits mit dem achten Monate ist das Schwein fortpflanzungsfähig.
Ueber die Benutzung des geschlachteten Thieres brauche ich hier nichts zu sagen; denn jedermann weiß, daß eigentlich kein Theil des ganzen Schweines verloren geht.