Das Dromedar in Brehms Tierleben

Dromedar (Brehms Tierleben)

Das Dromedar oder einhöckerige Kamel (Camelus Dromedarius), der Djemmel der Araber, ein gewaltiger Wiederkäuer, erreicht im Durchschnitt 2 bis 2,3 Meter Höhe und von der Schnauzenspitze bis zum Schwanzende 3 bis 3,3 Meter Länge. Obgleich nicht so reich an Rassen wie das Pferd, zeigt doch auch das Kamel sehr erhebliche Abänderungen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Kamele der Wüste und Steppen schlanke, hochgewachsene, langbeinige Geschöpfe, die der fruchtbaren Länder dagegen, namentlich die in Nordafrika einheimischen, plumpe, schwere Thiere sind. Zwischen einem »Bischarín«, oder einer Rasse, welche von den Bischarín-Nomaden gezüchtet wird, und dem egyptischen Lastkamele macht sich ein eben so großer Unterschied bemerklich wie zwischen einem arabischen Rosse und einem Karrengaule. Das erstgenannte Kamel ist das vorzüglichste Reitthier, das letztere das kräftigste Lastthier unter allen.

Der Araber unterscheidet mehr als zwanzig verschiedenartige Rassen der Wüstenschiffe; denn es gibt ebensogut eine Wissenschaft der Kamele wie eine solche der Pferde, und man spricht auch beim Dromedar von edlen und unedlen Thieren. Unsere Abbildung zeigt uns eines der gewöhnlichsten Lastkamele, welches man seinem Adel nach ungefähr mit einem Bauernpferde gleichstellen kann. Der ungehörnte Kopf ist ziemlich kurz, die Schnauze aber gestreckt und aufgetrieben, der stark erhabene Scheitel gerundet und gewölbt; die Augen, deren länglichrunder Stern wagerecht liegt, sind groß und von erschrecklich blödem Ausdrucke, die Ohren sehr klein, aber beweglich und stehen weit hinten am Schädel. Die Oberlippe überhängt die Unterlippe, welche ihrerseits aber auch nach unten fällt, gleichsam, als ob die Masse den Muskeln zu schwer wäre und von ihnen nicht bewältigt werden könnte. Wenn man ein Kamel von vorn ansieht, zeigen sich die Lippen fast immer geöffnet und die Nasenlöcher seitlich zusammengezogen; bei schneller Bewegung des Thieres schwingen die häßlichen Lefzen beständig auf und nieder, als ob sie sich nicht in ihrer Lage erhalten könnten. Am Hinterhaupte befinden sich eigenthümliche Absonderungsdrüsen, welche mittels zweier Ausführungsgänge unmittelbar auf der Hautoberfläche münden und beständig, zur Zeit der Brunst aber ganz besonders, eine widerwärtig riechende, schwarze Flüssigkeit ausströmen lassen. Der Hals ist lang, seitlich zusammengedrückt, in der Mitte am dicksten, der Leib bauchig und eigentlich nach allen Seiten hin zugerundet. Die Rückenlinie steigt von dem Halse an in Bogen nach oben, bis gegen den Widerrist hin, und erhebt sich dort sehr steil zu der Spitze des einen Höckers, von wo aus sie nach hinten wieder jäh abfällt. Der Höcker steht aufrecht, wechselt aber im Laufe des Jahres bedeutend in seiner Größe. Je reichlichere Nahrung das Kamel hat, um so mehr erhebt sich sein Höcker; je dürftiger ihm die Kost zugemessen wird, umsomehr fällt er zusammen. Bei vollen, gut genährten Thieren hat er die Gestalt einer Pyramide und nimmt mindestens den vierten Theil des Rückens ein, bei recht mageren verschwindet er fast gänzlich. Zur Regenzeit, welche saftige Weide bringt, wächst der während der dürren Hungermonate kaum sichtbare Höcker erstaunlich rasch an, und sein Gewicht kann dann bis auf 15 Kilogramm steigen, während es im Gegentheile auch auf zwei oder drei Kilogramm herabsinken kann. Die Beine sind schlecht gestellt, und namentlich die Hinterschenkel treten fast ganz aus dem Leibe heraus, vermehren dadurch also das wüste Aussehen des Thieres. Die ziemlich langen und breiten Zehen werden von der Körperhaut bis gegen die Spitze hin umhüllt und scheinen gleichsam an ihr angeheftet zu sein; ihre Trennung ist auf der obern Seite des breiten, schwieligen Fußes durch eine tiefe Furche angedeutet; unten buchtet sich der Fuß wie ein Kissen ein und rundet sich nur vorn und hinten. Die Fährte, welche das Thier hinterläßt, ist ein länglichrunder Abdruck mit zwei Einschnürungen und zwei von den Zehen herrührenden, spitzigen Ausbuchtungen nach vorn. Der dünn bequastete Schwanz reicht bis zum Fersengelenke hinab. Das Haar ist weich, wollig und auf dem Scheitel, im Nacken, unter der Kehle, an den Schultern und auf dem Höcker gegen das übrige auffallend verlängert, am Schwanzende aber verdickt. Eigenthümlich sind noch die Schwielen, welche sich auf der Brust, dem Elnbogen und dem Handgelenke, an Knien und Fersengelenken finden und mit dem Alter an Größe und Härte zunehmen. Die Brustschwiele tritt als eigenthümlicher Höcker weit über die andere Haut hervor und bildet eine förmliche Unterlage, auf welcher der Körper ruht, wenn das Thier sich niederlegt.

Das Gebiß besteht ursprünglich aus vier Vorderzähnen im Oberkiefer und sechs im Unterkiefer. Die beiden mittleren Oberkieferzähne fallen aber schon sehr frühzeitig aus und werden nicht wieder ersetzt; deshalb findet man bei älteren Thieren nur zwei Vorderzähne im Oberkiefer, welche nach dem Zahnwechsel durch große, eckzahnartige, kegelförmig zugespitzte und gekrümmte ersetzt werden, während im Unterkiefer neue Schneidezähne zum Vorscheine kommen, welche denen des Pferdes auffallend ähneln. Nun sind noch in jedem Kiefer Eckzähne vorhanden und zwar im Oberkiefer solche, welche wegen ihrer Größe und Gestalt eher an die Reißzähne eines starken Raubthieres denken lassen als an Gebißtheile eines Wiederkäuers. Auch die Backenzähne haben viel eigenthümliches.

Die Färbung des Thieres ist eine sehr unbeständige. Am häufigsten findet man allerdings lichtsandfarbene; doch gibt es auch graue, braune und ganz schwarze Kamele oder solche mit blassen oder lichteren Füßen, niemals aber gescheckte. Die Araber halten alle schwarzen Kamele für schlechtere, werthlosere Thiere als die lichteren, und pflegen sie deshalb schon in früher Jugend zu schlachten. Jüngere Thiere unterscheiden sich von den älteren durch das weiche Wollhaar, welches sie am ganzen Körper deckt, sowie auch die anmuthige rundere Gestalt, denn das kantig Eckige der letzteren tritt erst mit dem zunehmenden Alter deutlich hervor.

Gegenwärtig findet man das Dromedar bloß in der Gefangenschaft und zwar in allen nördlich des zwölften Grades der Breite gelegenen Ländern Afrikas und des äußersten Westen von Asien. Sein Verbreitungskreis fällt fast mit dem Wohnkreise des arabischen Volksstammes zusammen. Von Arabien oder Nordostafrika aus verbreitete es sich nach Westen hin über Syrien und Kleinasien und über Persien bis nach der Bucharei, von wo aus das zweihöckerige Kamel auftritt; von Ostafrika aus reicht es durch die ganze Sahara hindurch, bis an das Atlantische Meer, und von dem Mittelmeere an bis zu dem erwähnten Grade der Breite. Seine ursprüngliche Heimat scheint Arabien gewesen zu sein; denn im nördlichen Afrika ist es wahrscheinlich erst ziemlich spät eingeführt worden. Auf den altegyptischen Denkmälern findet man keine Abbildung dieses auffallenden Thieres, und ebensowenig erwähnen die römischen und griechischen Schriftsteller, welche Altegypten bereisten, des Kameles als einheimisches Thier. »Gleichwohl«, so schaltet mein gelehrter Freund Dümichen hier ein, »war dieses den alten Egyptern mindestens zur Zeit des neuen Reiches bekannt. Der Name scheint aus den semitischen Sprachen entnommen worden zu sein; denn übereinstimmend mit dem hebräischen ›Gamal‹ lautet das egyptische Wort in voller Schreibung ›Kamoaal‹ und in anderen Lesarten ›Kameli‹ und ›Kamelia‹, im Koptischen erhalten unter der Form ›Gamaul‹ und ›Djamoul‹. In einem aus der Zeit des höchsten Aufschwungs des altegyptischen Schriftthums herrührenden Papyrus, welcher die Reise eines Egypters in Syrien und Palestina behandelt, wird berichtet, daß man den Reisenden Fleisch von Kamelen zur Nahrung angeboten habe; in einem andern, von Chabas mitgetheilten Papyrus aus derselben Zeit, dem vierzehnten Jahrhundert v. Chr., heißt es: ›Das Kamel, welches horcht aufs Wort, wird herbeigeführt aus Aethiopien‹. Die alten Egypter, welche sich auf das Abrichten der Thiere vortrefflich verstanden, scheinen auch das Kamel zu einer Art von Tanz abgerichtet zu haben. Dieser Tanz führt den Namen ›Kenken‹, ein Tanz der Egypter aber, in Beziehung auf jenen, wohl wegen der ergötzlichen Bewegungen des tanzenden Kameles, den Namen ›Kamelikameli‹, d.i. ›dem Kamele gleich herumtanzen‹. In einem Papyrus aus der vorerwähnten Ramseszeit heißt es mit klaren Worten: ›Tu her seba kameli er kenken‹, zu deutsch: ›man ist im Unterweisen des Kameles zum Tanzen‹. In einem andern Papyrus wieder ist von dem ›Lasttragen des Kameles‹ die Rede. Diese Beispiele beweisen zur Genüge, daß die alten Egypter, mindestens vom vierzehnten Jahrhunderte an das Kamel gekannt und benutzt haben.« In der Bibel wird das Thier unter dem Namen Gamal sehr häufig erwähnt. Hiob hatte dreitausend, später sechstausend Kamele; die Medianiter und Amalekiter besaßen so viele als »Sand im Meere«. Man benutzte das Thier ganz wie zu unserer Zeit. Ueber Nordafrika hat es sich wahrscheinlich erst mit den Arabern verbreitet. Seine Zähmung fällt in das vorgeschichtliche Alterthum; man weiß auch nicht, woher es eigentlich stammt. Wilde oder verwilderte Kamele finden sich nirgends mehr.

Das Kamel ist ein eigentliches Wüstenthier und befindet sich bloß in den trockensten und heißesten Landstrichen wohl, während es im angebauten und feuchten Lande sein eigentliches Wesen verliert. In Egypten hat man, wahrscheinlich durch das reichlichere Futter, nach und nach sehr große und schwere Kamele erzüchtet; aber diese haben mehrere der schätzbarsten Eigenschaften, Leichtigkeit ihres Ganges, Ausdauer und Enthaltsamkeit verloren und werden deshalb von den Arabern der Wüste gering geachtet. In den Tropenländern Afrikas aber, wo die Pflanzenwelt das Gepräge der südamerikanischen und südasiatischen Wendekreisländer annimmt, kommt das Kamel nicht mehr fort. Vielfache Versuche, um mit ihm nach dem eigentlichen Herzen von Afrika vorzudringen, sind gescheitert. Bis zum zwölften Grade befindet sich das Thier wohl und gedeiht vortrefflich; weiter südlich gegen den Gleicher hin wird es schwächlich, und wenn man es noch ein paar Grade südlicher führt, erliegt es bei dem reichlichsten Futter, ohne eigentlich erklärliche Ursache. Zwar behaupten die Araber, daß eine Fliege, welche sie außerordentlich fürchten, die Schuld an dem Zugrundegehen ihrer Kamele trage; es beruht diese Meinung jedoch entschieden auf einem Irrthume: das Kamel kann die feuchtheißen Landstriche nicht ertragen. Vor etwa dreißig Jahren versuchte man, laut Haßkarl, es auf Java einzubürgern, sah jedoch das Vergebliche dieser Versuche sofort ein, da es nicht einmal gelang, von den eingeführten Paaren Junge zu erzielen und die Alten selbst dem ungewohnten Klima und Futter bald erlagen. Auch Gebirgsgegenden sagen dem Thiere nicht zu, obwohl es hier recht gut benutzt werden kann.

Bis jetzt hat man sich noch nicht bemüht, das nützliche Thier nördlich des großen Wüstenzuges anzusiedeln; doch darf man schwerlich bezweifeln, daß es noch etwa bis zum 40. Grade nördl. Br. hin geheiden werde. Im Jahre 1622 ließ Ferdinand der Zweite von Medicis in Toscana Trampelthiere einführen, und bis zur Stunde hat sich die Zucht dieser Thiere dort erhalten. Im Gebiete von San Rossore bei Pisa befinden sich die Kamele auf einer großen sandigen Ebene sehr wohl und leben ganz wie in ihrer Heimat. Im Jahre 1810 zählte man hundertundsiebenzig Stück und 1840 nur ein Stück mehr. Von hier aus hat man bis zur Stunde alle Thiergärten und Thierschaubuden damit versehen. In Südspanien hat man in der Neuzeit auch daran gedacht, Kamele zu züchten und über alle Erwartung günstige Ergebnisse erhalten. Die Kamele gedeihen dort vortrefflich, weil die Bedingungen entschieden günstige sind. Gegenwärtig geht man mit dem Plane um, das Wüstenschiff nach der Neuen Welt und zwar nach Mejiko zu versetzen. In Tejas wandern seit 1858 hundert Kamele vom Mississippi durch pfadlose Wildnisse nach dem Stillen Weltmeere; die Regierung von Bolivia hat Kamele in die Kordilleren kommen lassen; auf Cuba gab es schon im Jahre 1841 siebenzig Stück. Besonders aufmunternde Ergebnisse endlich sind in Australien mit Einbürgerung des Thieres erzielt worden.

Im ganzen Norden und Osten Afrikas wird das Kamel gegenwärtig in unzählbarer Menge gezüchtet. Manche Araberstämme besitzen tausende und hunderttausende. Im Sudân lernte ich Häuptlinge kennen, welche allein fünfhundert bis zweitausend Stück Kamele zu eigen hatten; in den Steppen Kordofâns sah ich Herden von mindestens anderthalbtausend Stück auf der Weide. Die einzige Wüstenstraße zwischen Korosko und Abu Hammed in Nubien setzt mehrere tausend von Kamelen in Bewegung. Ehe die Eisenbahn von Kairo nach Sues fertig war, vermittelten ungefähr sechshundert Kamele, welche täglich unter wegs waren, den Verkehr. Bei Ankunft der ostindischen Post sah man Züge von je zwei- bis dreihundert Stück mehrere Stunden nach einander aus den Thoren der einen oder der andern Stadt ziehen. Geradezu unschätzbar ist die Anzahl der Kamele, welche auf den großen Wüstenstraßen zwischen den Nigerländern und dem Norden Afrikas in Bewegung sind. Der Stamm der Tibbo allein mag ein paarmal hunderttausend Kamele besitzen; die Berber haben sicherlich mehr als eine Million. Auch im Glücklichen und Steinigen Arabien werden viele Kamele gezogen, und namentlich das Land Nedjed gilt als das reichste an diesen Thieren. Er versorgt Syrien, den Hedjâs und Jemen mit ihnen, liefert auch jährlich viele tausende allein nach Anatolien. Die Anzahl der Kamele, welche jährlich an den Wüstenstraßen zu Grunde gehen, läßt sich nicht berechnen; wie groß sie aber ist, kann man am besten ersehen, wenn man selbst durch die Wüste reist. In der nubischen Wüste sowohl wie in der Bahiuda fand ich am Ein- und Ausgange der vorhin genannten Straßen auf viele Meilen hin ein Kamelgerippe so dicht neben dem andern, daß die Straße durch die weißgebleichten Knochen vollkommen bezeichnet wurde. Die Wüste ist nicht bloß die Heimat und der Geburtsort, sondern auch die Sterbestätte und das Grab des Kamels; die wenigen, welche geschlachtet werden, kommen gegen die, welche auf ihren Berufswegen verenden, kaum in Betracht.

Das Kamel nimmt seine Nahrung einzig und allein aus dem Pflanzenreiche und ist dabei durchaus nicht wählerisch. Man darf wohl behaupten, daß gerade seine Genügsamkeit seine größte Tugend ist: das schlechteste Futter genügt ihm. Wenn es die dürrsten und trockensten Wüstenpflanzen, scharfschneidiges Riedgras und halbverdorrte Aeste hat, kann es wochenlang aushalten. Unter Umständen ist ihm ein alter Korb oder eine Matte, aus den zerschlissenen Blattriefen der Datteln geflochten, ein willkommenes Gericht. In Ostsudân muß man die Hütten der Eingebornen, welche aus einem Gerippe von schwachen Stangen bestehen und dann mit Steppengrase bekleidet werden, vor den Kamelen durch eine dichte Umzäunung von Dornen schützen: die Thiere würden sonst das ganze Haus bis auf seine Grundfesten auffressen. Wahrhaft wunderbar ist es, daß selbst die ärgsten Dornen und Stacheln das harte Maul des Kamels nicht verwunden. Mehr als hundertmal habe ich gesehen, daß Kamele Mimosenzweige, an denen Dornen an Dornen saßen, ohne weiteres hinunterwürgten. Nun muß man wissen, daß diese Mimosennadeln außerordentlich scharf sind und selbst das Sohlenleder durchdringen; dann versteht man erst, was dies sagen will. Mehrere Male haben wir uns bei der Jagd empfindlich verletzt, wenn wir auf solche Dornen traten; ich selbst habe mir einen von ihnen durch die Sohle des Schuhes, die große Zehe und auch noch durch das Oberleder des Schuhes gestochen: – und solche Dornen zermalmt das Thier mit der größten Seelenruhe! Wenn die Karawane abends rastet und die Kamele frei gelassen werden, damit sie sich ihre Nahrung suchen, laufen sie von Baum zu Baume und fressen hier alle Aeste ab, welche sie erreichen können. Sie besitzen ein merkwürdiges Geschick, mit ihren Lippen die Zweige abzubrechen; dann aber würgen sie dieselben hinunter, ganz unbekümmert, in welcher Richtung die Dornen vom Zweige abstehen. Können sie einmal saftige Nahrung haben, so ist das ihnen sehr genehm: in den Durrah- und Dohhenfeldern hausen sie oft in abscheulicher Weise und verwüsten dort ganze Stellen; auch kleine Bohnen, Erbsen, Wicken verzehren sie sehr gern, und Körner aller Art erscheinen ihnen als wahre Leckerbissen. Auf den Wüstenreisen, wo es nothwendig ist, daß die Last soviel als möglich verringert wird, nimmt jeder Araber bloß etwas Durrah oder auch Gerste für sein Kamel mit sich und füttert dem Thiere davon allabendlich ein paar Hände voll, gewöhnlich gleich aus seinem Umschlagetuche, bezüglich aus seinem Schoße. In den Städten gibt man ihnen Puffbohnen; in den Dörfern erhalten sie oft nichts anderes als verdorrtes Riedgras oder Durrahstroh. Es scheint aber, als ob das Laub verschiedener Bäume und anderer Gesträuche ihre liebste Nahrung wäre; wenigstens bemerkt man, daß die Kamele wie die Girafen immer nach den Bäumen hin ihre Schritte lenken.

Bei saftiger Pflanzennahrung kann das Kamel wochenlang das Wasser entbehren, falls es nicht beladen und besonders angestrengt wird und sich nach Belieben seine Pflanzen aussuchen kann. Die Nomaden der Bahiuda bekümmern sich zuweilen einen ganzen Monat nicht um ihre Kamele, sondern lassen sie nach eigenem Gutdünken ihre Weide sich wählen, und oft kommt es vor, daß diese Thiere während der ganzen Zeit nur mit den thaufrischen Blättern und dem Pflanzensafte ihren Durst löschen müssen. Anders verhält sich die Sache während der Zeit der Dürre. Man hat zwar vielfach behauptet, daß Kamele auch dann noch vierzehn bis zwanzig Tage Wasser entbehren könnten; allein solche Erzählungen sind Fabeln, welche jeder Eingeweihte belächeln muß. Als ich im December 1847 und Januar 1848 die Bahiudawüste durchzog, bekamen unsere Kamele während der achttägigen Reise nur ein einziges Mal Wasser; aber um diese Zeit gab es noch viel Grünes, und die Thiere hielten vortrefflich aus. Als ich aber zwei Jahre später im Juni beinahe denselben Weg wanderte, waren die Kamele, welche neben dem Durste auch noch Hunger zu ertragen hatten, bereits am sechsten und siebenten Tage der Reise, obwohl wir sie am vierten getränkt hatten, so matt, daß sie unter uns zusammenbrachen und nur mit größter Mühe bis an den Nil gebracht werden konnten, – nur erst, nachdem wir andere entlastet und auf ihnen unsern Ritt fortgesetzt hatten. In der Gluthitze der afrikanischen dürren Zeit muß ein Kamel auf Reisen, bei genügendem Futter, hinreichendes Wasser und mindestens alle vier Tage volle dreißig bis vierzig Stunden Ruhe haben, wenn es aushalten soll. Aber nur in seltenen Fällen lassen es die Araber so lange dürsten, gewöhnlich nur dann, wenn einer der Brunnen am Wege, auf dessen Wasser man hoffte, inzwischen versiegt ist. In früheren Zeiten glaubte man, diese Genügsamkeit des Kamels, was das Trinken anbelangt, aus seiner eigenthümlichen Bildung des Magens erklären zu können. Man meinte, daß die großen Zellen in den beiden ersten Magenabtheilungen als Wasserbehälter angesehen werden dürften, und in manchen älteren Reisebeschreibungen, noch mehr in den traurigen Werken der Stubenhocker und Büchermacher, ist zu lesen, daß die Reisenden in der Wüste im allerletzten Nothfalle in dem Magen ihres Kamels noch Wasservorräthe finden könnten. Ich habe, obgleich ich von Hause aus an solchen Geschichten zweifelte, mit aller Absicht alte, in der Wüste ergrauete Kamelführer befragt: kein einziger wußte von dieser Geschichte etwas, kein einziger hatte jemals solch eine ungeheure Lüge auch nur erzählen hören. Und später habe ich mich beim Schlachten der Kamele, welche noch am Tage vorher getränkt worden waren, selbst überzeugt, daß es ganz unmöglich ist, Wasser zu trinken, welches tagelang mit den im Magen aufgehäuften Nahrungsstoffen und dem Magensafte vermengt war. Das ganze Kamel hat einen widerwärtigen Geruch; solcher Magenbrei aber muß selbst einem Halbverdursteten unüberwindlichen Ekel erregen. Der Gestank eines frisch aufgebrochenen Kamelmagens ist geradezu unerträglich.

Wahrhaft lustig sieht es aus, wenn ermüdete, hungrige und ermattete Kamele in die Nähe eines Brunnes oder Flusses gelangen. So dumm die häßlichen Geschöpfe auch sind, solche Orte, wo sie früher schon getränkt wurden, vergessen sie so leicht nicht. Sie heben die Köpfe hoch empor, schnüffeln mit halb zugekniffenen Augen in die Luft, legen die Ohren zurück und beginnen nun plötzlich zu laufen, daß man sich fest im Sattel halten muß, um nicht herausgeschleudert zu werden. Kommen sie dann zum Brunnen, so drängen sie sich an das Wasser, und eines sucht durch abscheuliches Gebrüll das andere zu vertreiben. Am Ausgange der Bahiudawüste kamen drei unserer Kamele an einen Bewässerungsgraben, welcher von einem Schöpfrade gespeist wurde und immerhin ein lebhaftes Bächlein Wasser nach dem Felde sandte; dort stellten sie sich neben einander auf und tranken drei Minuten lang ohne Unterbrechung und buchstäblich alles Wasser auf, welches in dem Graben dahinfloß. Ihr Leib schwoll augenscheinlich an, und beim Weiterreiten verursachte das im Magen aufgehäufte Wasser ein Geräusch, wie man es vernimmt, wenn man eine halbgefüllte Tonne ausschwenkt. Während der Regenzeit, wenn viel Wasser vorhanden, lösen die Araber Ostsudâns salzhaltige Erde oder reines Kochsalz in kleinen Tränkteichen auf und treiben dahin ihre Kamele. Das Salz vermehrt die Freßlust der edlen Wüstenschiffe außerordentlich, und diese mästen sich nun bald einen recht hübschen Höcker an.

Es verdient bemerkt zu werden, daß den Kamelen größere oder geringere Genügsamkeit anerzogen wird. So anspruchslos die Thiere im allgemeinen sind, so leicht lassen sie sich verwöhnen, und damit werden sie in gewisser Hinsicht geradezu unbrauchbar. Die Kamele Ostsudâns und der Wüste, welche von Jugend auf gewöhnt wurden, alle vier oder bezüglich sechs Tage getränkt zu werden und sich mit den dürftigen Gräsern ihrer Heimat ernähren müssen, sind für Wüstenreisen weit mehr geeignet als die, welche im Norden leben, namentlich die des bebauten Landes, denen es niemals weder an Nahrung noch an Trank gebricht. Jene, die Wüsten- und Steppenkamele, bleiben allerdings viel kleiner und magerer; sie sind nach und nach zu ganz anderen Thieren geworden als die Egyptens und Syriens. Aber die letzteren können sich mit ihnen auch gar nicht messen; sie sind eben nur noch Lastkamele, für Reisen hingegen gänzlich ungeeignet.

Wenn man ein ruhig stehendes Kamel betrachtet, wird man sich schwerlich denken, daß dieses Thier fast an Schnelligkeit mit einem Pferde wetteifern kann. Und doch ist dies der Fall. Die in der Wüste und Steppe gebornen Kamele sind vortreffliche Läufer und im Stande, ohne Unterbrechung Entfernungen zurückzulegen wie kein anderes Hausthier. Alle Kamele gehen einen scheinbar sehr schwerfälligen Paß, sie mögen nun im Schritte oder im Trabe laufen; allein dieser Paßgang ist bei abgerichteten Reitkamelen wahrhaft leicht und zierlich. Der gewöhnliche Gang ist ein sonderbares Dahinstelzen, und das Kamel bewegt dazu bei jedem Schritte noch in so auffallender Weise den Kopf vor- und rückwärts, daß man sich kaum einen häßlichern Anblick denken kann als solche Mißgestalt in ihrer langsamen Bewegung. Bringt man einen Läufer wirklich in Trab, und gehört er zu den guten Rassen, welche ohne Unterbrechung in der angefangenen Schrittweise dahinziehen, so erscheint das schwere Geschöpf leicht und schön. Schon schwer beladene Lastkamele legen bei gewöhnlichem Schritte in fünf Stunden Zeit sechs Wegstunden oder drei geographische Meilen zurück und gehen in dieser Weise von früh morgens fünf Uhr an bis abends sieben Uhr ohne Unterbrechung fort; gute Reitkamele aber können bequem den dreifachen Raum durchlaufen. Die reiche Phantasie der Beduinen hat die Schnelligkeit eines guten Kamels bei weitem übertrieben; sehr bedeutend ist dieselbe jedoch immerhin. Man bezeichnet in Afrika die leichten und abgerichteten Reitkamele mit dem Namen »Hedjín« oder Pilgerkamel und nennt den auf ihnen Reitenden Hedjân, versteht aber zunächst bloß die eigentlichen Botenreiter unter diesem Worte. Solche Botenreiter nun legen in kurzer Zeit fast unglaublich große Strecken zurück. Berühmt sind die Kamele, welche in der Nähe von Esneh in Oberegypten gezüchtet werden, und noch berühmter die wirklich unübertrefflichen der Bischarín in Ostsudân. Auf einem solchen Hedjín ritt Mohammed Aali flüchtend in einem Zuge von Kairo nach Alexandrien und brauchte hierzu nur zwölf Stunden. Da nun die Entfernung zwischen beiden Städten mindestens fünfundzwanzig Meilen beträgt, kann man auf die Schnelligkeit und Ausdauer dieser Thiere einen Schluß ziehen. In Egypten und Nubien nennt man Kamele, welche zehn Mahhadas oder Haltestellen auf dem Karawanenwege in einem Tage durchlaufen, geradezu »Zehner« (Aaschari) und schätzt sie mit Recht sehr hoch; denn eine Mahhada liegt in der Regel zwischen anderthalb und zwei, auch dritthalb Meilen von der andern. Ein solcher Aaschari lief von Esneh in Oberegypten nach Geneh und fast wieder dahin zurück, war aber so angestrengt worden, daß er drei Meilen vor seinem Zielpunkte zusammenbrach. Er hatte in neun Stunden fünfundzwanzig Meilen durchwandert und dabei zweimal über den Nil gesetzt, also mindestens noch eine Stunde an Zeit verloren. Einen solchen Ritt hält kein Pferd aus, es mag so gut sein wie es will. Im Anfange übertrifft die Schnelligkeit eines trabenden Pferdes die des Kamels, wenn es im gleichen Schritte geht; sehr bald aber bleibt das erstere weit zurück, und das Kamel trabt nach wie vor seinen Gang weiter. Läßt man ein Reitkamel in der Mittagszeit ruhen, reitet es sonst aber vom frühen Morgen an bis zur späten Nacht, so kann man das Thier sechzehn Stunden lang Trab laufen lassen und dann bequem eine Entfernung von zwanzig Meilen durchreiten. Ein gutes Kamel, welches ordentlich gefüttert und getränkt wird, hält solche Anstrengungen, ohne Rasttag dazwischen, drei und selbst vier Tage aus. Man ist demnach im Stande, mit einem einzigen Reitthiere in der kurzen Zeit von vier Tagen achtzig geographische Meilen zu durchreisen.

Dreierlei verlangt der Araber von einem guten Kamele: es muß einen weichen Rücken haben, darf die Peitsche nicht verlangen und soll beim Auf- und Niederlegen nicht schreien. Bloß derjenige, welcher viel mit Kamelen umgegangen ist, weiß, was dies zu bedeuten hat.

Ein gewöhnliches Lastkamel ist das fürchterlichste aller Reitthiere. Bei der Paßbewegung wird der Reiter in absonderlichen Bogen, einer in Bewegung gesetzten chinesischen Pagodenfigur vergleichbar, auf- und nieder-, hin- und hergeschleudert. Sobald das Kamel in Trab fällt, ist es anders. Bei der bestehenden Wechselbewegung wird das seitliche Hin- und Herschaukeln aufgehoben, und wenn sich der Reiter geschickt im Sattel zurücklegt, spürt er die immer noch heftigen Stöße eben auch nicht mehr, als wenn er zu Pferde sitzt. Bei großer Wuth fällt das Kamel regelmäßig in Galopp. Es ist nicht im Stande, diese Gangart lange auszuhalten, aber es braucht das auch nicht; denn gewöhnlich liegt der nicht gänzlich sattelfeste Reiter schon in den ersten drei Minuten auf der Erde, das Kamel trabt lustig davon und verfällt hierauf bald wieder in seinen gewöhnlichen Schritt. Aus diesen Gründen hat der Araber seine Reitkamele gewöhnt, bloß Trab zu gehen.

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