Das Blaukrönchen in Brehms Tierleben

Blaukrönchen (Brehms Tierleben)

Da ich das Glück gehabt habe, einen Ziersittich länger als zwei Jahre zu pflegen, wähle ich ihn zum Vertreter der Gruppe. Das Blaukrönchen, wie ich das reizende Vögelchen nennen will (Coryllis galgulus, Psittacus galgulus, pumilus und flavigulus, Psittacula galgula und cyaneopileata, Loriculus galgulus und pumilus), »Silindit« oder »Silinditum« der Javanen, »Serindit« der Sumatraner, »Serendak«, »Sindada« und »Beizung Slinde« der Malaien, »Talisok« der Dajakers, ist etwa ebenso groß wie unser Feldsperling, das Gefieder vorherrschend grasgrün, ein runder Fleck auf der Scheitelmitte dunkel ultramarinblau, ein dreieckiger, mit der Spitze nach unten gerichteter Fleck auf dem Rücken orangefarben, ein großer, länglich runder Querfleck auf der Kehle, wie die Bürzel- und oberen Schwanzdeckfedern, brennend scharlachroth, ein schmaler Querstreifen auf dem Unterrücken, über dem rothen Bürzel, wie die Säume der unteren Schenkelseitenfedern, hochgelb; die Schwingen sind innen schwarz, unterseits wie die Schwanzfedern ebenda, meerblau, ihre unteren Dec kfedern grün. Der Augenstern hat dunkelbraune, der Schnabel einfarbig schwarze, die Wachshaut hellgraue, der Fuß graulichgelbe Färbung. Das etwas lichter als das Männchen gefärbte Weibchen zeigt, anstatt des blauen, einen grünen Scheitel- sowie einen kleineren, bläulichgrünen Oberrückenfleck und entbehrt des rothen Kehlfleckes. Beim jungen Vogel ist das Gefieder düsterer, der Scheitelfleck nur angedeutet und weder der Rücken- noch der Kehlfleck vorhanden.

So viel bis jetzt nachgewiesen werden konnte, lebt das Blaukrönchen ausschließlich auf Borneo, Sumatra, Banka und der Südspitze Malakkas. Ueber das Freileben gibt nur Salomon Müller, welcher die lieblichen Vögel im Süden Borneos beobachten konnte, einige Nachrichten. Der thätige und kenntnisreiche Reisende fand unseren Zierpapagei bei den Dajakers als beliebten Käfigvogel, gewöhnlich gesellschaftlich eingebauert in einem runden drehbaren Käfige aus Bambusrohr, welcher durch das Klettern des Papageien in Bewegung gesetzt wird. In der Freiheit nährt er sich von Baumknospen, zarten Sprossen und Baumblüten, zumal denen der Erythrinen; in der Gefangenschaft erhält er gekochten Reis und ab und zu rohe Bananen, welche er gern verzehren soll. Im übrigen bemerkt Müller nur noch, daß man den kleinen Vogel zwischen dem grünen Laube und den rothen Blüten der Erythrinen schwer wahrzunehmen im Stande sei. Ueber das Fortpflanzungsgeschäft ist nichts bekannt.

Zu meiner Freude gelang es mir mehrmals, gefangene Blaukrönchen zu erwerben. Ein Pärchen habe ich jahrelang gepflegt und sein Betragen und Gebaren in meinen »Gefangenen Vögeln« geschildert. Da diese Beschreibung die einzige ausführliche und verläßliche ist, welche wir besitzen, muß ich wohl oder übel das dort gesagte hier wiederholen. Die Blaukrönchen und wohl alle Ziersittiche überhaupt, gehören unbedingt zu den liebenswürdigsten Gliedern ihrer Ordnung. Sie müssen als allerliebste Geschöpfe bezeichnet werden, bekunden harmlose Zuthunlichkeit, sind regsam, nicht aber stürmisch und schwatzen singend oder singen schwatzend, ohne durch lautes, gellendes Geschrei oder Gekreisch abzustoßen. Alle Bewegungen erfolgen mit ungewöhnlicher Leichtigkeit und Zierlichkeit. Eilfertig, trippelnden, nicht aber watschelnden Ganges, rennen sie über den Boden dahin; ohne Bedenken wagen sie einen Sprung von einer, für die kurzen Beinchen bedenklichen Weite; rasch und gewandt klettern sie, Schnabel und Füße mit derselben Sicherheit gebrauchend, am Gitter empor.

Der Flug, welchen ich, obschon in beschränktem Maße, im Gesellschaftskäfige beobachten konnte, ist leicht und anscheinend mühlos, so rasch auch die Schwingen bewegt werden. Das polternde Geräusch, welches ein auffliegender Zwergpapagei verursacht, habe ich von ihnen nicht vernommen. Um auszuruhen, verweilen sie bloß ausnahmsweise in der üblichen Stellung, nehmen vielmehr regelmäßig, beim Schlafen stets die Lage der rastenden Fledermaus an, indem sie mit den Beinen an der Decke des Käfigs oder einem dürren Sitzzweige sich anklammern und nicht allein den Leib, sondern auch den Kopf gerade herabhängen lassen, so daß der Rücken, der eingezogene Hals, der Scheitel und der Schnabel eine gerade Linie bilden, während der Schwanz, wohl um nicht anzustoßen, schief nach hinten und oben gerichtet und das Gefieder lässig gesträubt wird. Die schmucken Thierchen erhalten in dieser Lage ein gänzlich anderes Aussehen als sonst: sie erscheinen noch einmal so dick als während des Sitzens, förmlich kugelig. Oft hängt sich der eine oder der andere nur an einem Beine auf und zieht das andere so weit ein, daß die geschlossene Klaue eben noch sichtbar ist, wechselt auch wohl ab, um das eine Bein zeitweilig zu entlasten. Erschreckt flüchten sie stets zur Decke empor, gleichsam, als ob sie sich am sichersten fühlten, wenn sie sich aufgehängt haben. In dieser Lage werden auch unbedeutende Geschäfte erledigt, beispielsweise die Federn ein wenig geordnet, ebenso einige Behaglichkeit ausdrückende Laute hergeplaudert, obschon das eine wie das andere regelmäßiger im Sitzen geschieht. Fühlt der Zwergpapagei das Bedürfnis, sich zu entleeren, so wird der Schwanz ein wenig mehr als sonst gestelzt, der Leib etwas gebogen und hierauf der meist in einem umhäuteten Klümpchen bestehende Unrathballen gegen dreißig Centimeter weit weggeschleudert. Im Zustande tieferer Ruhe oder während des Schlafes bläht sich die kleine Gestalt noch mehr auf als außerdem, und schließen sich die Lider bis auf einen kleinen Spalt. Daß die Zwergpapageien auch alle übrigen Stellungen, welche Sittichen möglich sind, und zwar mit spielender Leichtigkeit annehmen, bedarf kaum besonderer Erwähnung: kopfoberst und kopfunterst gilt ihnen vollständig gleich. Die beschriebene Fledermausstellung ist jedoch diejenige, welche man am häufigsten sieht und so bezeichnend, daß ich vorschlagen würde, die Vögel »Hänge-« oder »Fledermauspapageien« zu nennen, erschiene mir dieser Name ebenso ansprechend wie sie selber.

Die geistigen Anlagen der Ziersittiche dürften mit denen der Zwergpapageien annähernd auf einer und derselben Stufe stehen. Die Blaukrönchen sind harmlos und mit Bewußtsein zutraulich. Sie lernen bald ihren Pfleger und dessen Familienglieder kennen, lassen sich weder durch ihn, noch durch diese im geringsten stören, gestatten, daß man dicht an ihren Käfig tritt, zeigen sich auch dann nicht ängstlich, wenn man letzteren hin- und herträgt, gehen meist nicht einmal aus ihrer hängenden Stellung in eine andere über. Sie erkennen fremde Leute recht wohl, vertrauen aber auch ihnen, während sie das Erscheinen eines Hundes in die größte Aufregung versetzt. Doch geberden sie sich, nach Art kleiner Papageien überhaupt, niemals so ausdrucksvoll wie ihre größeren Ordnungsverwandten, zetern auch nicht, wenn sie erregt werden, wie dies selbst die Zwergpapageien zu thun pflegen. Ihr Betragen ist in jeder Hinsicht ruhig und gemessen; sie leben, so zu sagen, still vor sich hin. Beide Gatten des Paares vertragen sich ausgezeichnet gut; keiner aber erweist dem anderen ersichtliche Zärtlichkeiten: das gegenseitige Nesteln im Gefieder, das Schnäbeln und anscheinende Küssen anderer Papageien habe ich bei ihnen niemals beobachtet. Eine größere Gesellschaft von Ziersittichen, welche ich sah, lebte ebenfalls im tiefsten Frieden; als ich jedoch zu meinem Pärchen noch ein Männchen setzte, geberdete sich jenes wohl mehr aus Furcht vor dem neuen Ankömmlinge als infolge eifersüchtiger Regung, äußerst unruhig. Demungeachtet glaubte ich auch in diesem Falle eine gewisse Neugier, wie sie ihnen eigen, wahrnehmen zu können.

Höchst ansprechend ist der Gesang des sonst ziemlich schweigsamen Männchens. Mit dem Schlage eines Finken kann er sich freilich in keiner Weise messen, besteht vielmehr aus schwatzenden, schwirrenden, zwitschernden und einigen pfeifenden Lauten, wird aber mit soviel Behagen vorgetragen und wirkt so anmuthend, daß man ihn recht gern hört. An Reichhaltigkeit sowie an Wendungen und Vertönungen steht er dem Gesange des Wellensittichs vielleicht etwas nach, schwerlich aber, für mein Ohr entschieden nicht, in der Gesammtwirkung. Der Sänger pflegt sich während des Vortrages hoch aufzurichten, den Hals so viel als möglich zu strecken und trotzdem die rothen Kehlfedern zu sträuben, so daß deren Bewegungen jene der Kehlmuskeln wiedergeben oder doch andeuten. Jeder einzelne Vortrag währt eine bis zwei Minuten; dann tritt eine kurze Pause ein, und das singende Geschwätz beginnt von neuem. Im Winter geschieht es nicht selten, daß der singfertige Vogel, nachdem er stundenlang geschwiegen, auch wohl ein wenig geschlafen, noch in später Abendstunde bei Lampenlicht ein Liedchen anhebt. Das Weibchen, welches dann und wann denselben Lockton wie das Männchen, ein scharfes »Zit« vernehmen läßt, hört dem Gesange des Gatten ohne merkliche Erregung, scheinbar sogar theilnahmlos zu, frißt während dem unbehelligt weiter, klettert auf und nieder, hängt sich zur Ruhe an, putzt sich usw., treibt es, mit einem Worte, nach Belieben, ohne das Männchen zu beirren, da dieses, wie man glauben muß, mehr zu seinem Vergnügen als in der Absicht singt, die Gattin zu erheitern.

Glanz oder Kanariensamen, welcher wohl während der Seereise gereicht worden sein mag, in Stückchen geschnittenes Obst und frische Ameisenpuppen bildeten das Futter der von mir gepflegten Ziersittiche. Hierbei befanden sie sich wohl und überstanden die Mauser, ohne von ihrer Lebhaftigkeit etwas einzubüßen, auch ohne ihr Kleid irgendwie zu verändern, gelangten jedoch nicht zur Fortpflanzung. Andere Stücke derselben Art, welche ich erwarb, starben bald nach ihrer Ankunft; gleichwohl meine ich nicht, daß sie insgemein hinfälliger seien als Zwergpapageien oder Plattschweifsittiche. Ich vermag also nicht, mich der Ansicht anzuschließen, daß sie die Gefangenschaft nicht ertragen sollten, bin auch überzeugt, daß man sie selbst in unseren Käfigen früher oder später zur Brut schreiten sehen wird.

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